Vortrag von Matthias Neugebauer: «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes» – Ulrich Zwinglis Reformation als Tat eines realistischen Ethikers
«Tut um Gottes Willen etwas Tapferes»
Diese gerade in diesem Jahr vielzitierten Worte schreibt der Schweizer Reformator Ulrich Zwingli am 16. Juni 1529 an den Zürcher Rat.
Er will die Regierung damit bewegen, ihre zögerliche Haltung aufzugeben und in den Krieg gegen die katholischen Innerschweizer Kantone zu ziehen. Die Innerschweizer Kantone weigerten sich beharrlich, die Reformation anzunehmen. Und mehr noch: Sie verboten auf ihren Territorien die freie evangelische Predigt.
Am 29. Mai wurde in Schwyz der Zürcher Pfarrer Jakob Kaiser “ ein Anhänger der Zürcher Reformation“ als Ketzer verbrannt. Zwingli hat die Verweigerungshaltung sowie die Vertreibung und Tötung von Evangelischen Pfarrern so interpretiert, «dass wir um des Wortes Gottes willen angegriffen werden». Da Zwingli zusätzlich eine breite Allianz von Innerschweizern, dem Deutschen Reich und Habsburg gegen die Sache die Reformation fürchtete, trat er «energisch für den sofortigen Krieg gegen die fünf Orte ein» und appelliert an den Rat: «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes».
Das ist in der Tat der realgeschichtliche Hintergrund dieser bekannten Worte. Aber Zwinglis reformatorisches Wirken und sein theologisches Denken gehen in diesem Satz keinesfalls auf. Sondern hier agiert Zwingli in erster Linie als Politiker, der die Früchte seines Reformwerkes in höchster Gefahr sieht. Und dennoch können wir an dieser Stelle den Spannungsreichtum vernehmen, den das reformatorische Wirken Zwinglis atmet. Und wir wollen uns an diesem Abend auch ganz bewusst den Spannungen stellen, die Zwingli als Reformator ausmachen und die ihn vor allem als ethisch ambitionierten Reformator so anziehend und kontrovers machen.