Neuenburg

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Stiftskirche

Die Stiftskirche wurde ab 1185 mit einem romanischen Chor und einem gotischen Längsschiff erbaut und 1276 geweiht. Die Stiftsherren waren für den Gottesdienst verantwortlich. 1372 liess Graf Ludwig von Neuenburg in der Kirche ein Familiengrabmal erstellen. Eine Tafel gegenüber dem Grabmal erinnert an die Entfernung der Heiligenbilder am 23. Oktober 1530, als ob es sich dabei um eine Bürgerbewegung gehandelt hätte. In Wahrheit verwüsteten aber beschwipste Soldaten bei ihrer Rückkehr aus einem Hilfsfeldzug in Genf die Schätze der Kirche.

Ebenfalls im Inneren der Stiftskirche befindet sich das Grab des heiligen Wilhelm († 1231), eines der Stiftsherren, der als Stadtheiliger galt. Man schwor Eide auf seine Reliquien und trug sie bei Prozessionen mit, wenn Hunger, Pest und anderes Unheil drohte. Man traute Wilhelm zu, bei der Taufe totgeborene Kinder zum Leben zu erwecken und Kranke zu heilen. 1430 stiftete Johannes von Freiburg, Graf von Neuenburg eine ständige Messe zur Erinnerung an den Heiligen. Nach der Reformation wurden seine Reliquien nach Burgund in Sicherheit gebracht, sind seitdem aber verschollen.

Die weissen Platten auf dem Vorplatz bezeichnen den Grundriss einer dem heiligen Wilhelm gewidmeten Kapelle, die 1871 abgerissen wurde. Auf dem Platz steht zudem eine Statue aus dem Jahr 1875, die Guillaume Farel mit erhobener Bibel darstellt. Sein linker Fuss ruht auf dem mit einem Heiligenschein gekrönten Kopf einer liegenden Person; Farel zertritt sinnbildlich die Bilderverehrung.

Rue de la Collégiale

Das Haus Nr. 10 war das Wohnhaus der zwölf Stiftsherren. Sie nahmen nicht nur in der Kirche, sondern auch im politischen Leben eine bevorzugte Stellung ein. Ihr Lebenswandel scheint aber nicht sehr fromm gewesen zu sein; trotzdem waren sie gegen die Bevölkerung äusserst streng. Durch Zuwendungen war das Stift bald reich geworden. Später war dieses Haus das Pfarrhaus, in dem Guillaume Farel wohnte.

In den Häusern Nr. 6 und 8 wurde nach der Reformation um 1600 eine Schule eingerichtet, in welcher bis 1835 Unterricht gehalten wurde. Bildung war den Reformatoren ein zentrales Anliegen, denn jedes Kind sollte die Bibel lesen können. Das Haus Nr. 4 ist bekannt als altes Pfarrhaus. Vor der Reformation war es ebenfalls im Besitz der Stiftsherren. Gegenüber, im Haus Nr. 3, befand sich im 19. Jahrhundert die theologische Fakultät der Freien Kirche. Heute beherbergt das Gebäude Räumlichkeiten der Kirchgemeinde.

Fontaine du Griffon / Maison de la Prévôté

Als die Fontaine du Griffon 1664 errichtet wurde, nannte man sie «Fontaine de Saint-Guillaume», obschon die gleichnamige Quelle weiter oben entspringt. 1668 liess der neue Graf von Neuenburg, Fürst Charles-Paris d’Orléans seine Ankunft feiern, indem er aus dem Brunnen Wein fliessen liess – und zwar roten und weissen!

Das Haus Rue du Château 12 gegenüber ist das Propsthaus, auch Alte Kanzlei genannt. Es war in einem schlechten Zustand, als Farel während zwölf Jahren darin wohnte und schliesslich 1565 dort starb. Farel war 1538 auf Betreiben der Bürger nach Neuenburg zurückgekehrt und blieb dort bis zu seinem Tod. Bern ermunterte die Stadtregierung, Gesetze zu erlassen, «um Laster wie Gotteslästerung, Trunksucht, Spiel, Tanz, Anstössigkeit und dergleichen zu züchtigen, zu bessern und zu bestrafen». Der Stadtrat erliess in der Folge das erste Kirchengesetz, das auch den Gottesdienstbesuch vorschrieb.

Fontaine du Banneret / Tour de Diesse

Der Brunnen, deutsch Vennerbrunnen, ist der älteste Brunnen der Stadt und diente Kühen und Ziegen als Tränke. 1581 erhielt er sein heutiges Aussehen mit der Vennerfigur des Bildhauers Laurent Perroud. Auch die Fontaine du Banneret hat Anteil an der Reformation: Die Stiftsherren versuchten einst, Guillaume Farel darin ein kühles Bad zu bereiten.

Links davon steht die Tour de Diesse mit seinem grossen Zifferblatt. Er erhob sich einst über dem östlichen Stadttor, der Maleporte („schlechtes Tor“). Die Legende sagt, das Tor verdanke seinen Namen keinem Geringeren als Julius Cäsar, der an der niedrigen Wölbung seinen Kopf angeschlagen habe. In Wirklichkeit dürfte das steil abschüssige Tor vor allem den Pferden Schwierigkeiten bereitet haben. Seine rosa Farbe nahm der Turm beim Stadtbrand von 1714 an, dessen Hitze den Kalk der Mauern verfärbte und das Gebälk verbrannte.

Temple du Bas / Rue des Poteaux

Ende des 17. Jahrhunderts flohen viele Hugenotten (französische Protestanten) vor der Verfolgung nach Neuenburg und liessen sich hier nieder. Für die Gottesdienste wurde die Spitalkapelle zu klein. Der 1696 abgeschlossene neue Bau war in erster Linie dem Einsatz von Pastor Jean-Frédéric Ostervald (1663 – 1747) zu verdanken, auch der zweite Reformator von Neuenburg genannt. In der Folge wurde die Kirche mehrmals umgebaut. 1871 waren darin 15 Soldaten der französischen Bourbaki-Armee untergebracht. Heute dient der Temple du Bas als Konzert- und Festsaal.

Jean-Frédéric Ostervald fühlte sich durch die Karren gestört, die während des Gottesdienstes vor der Türe vorbeiratterten. Deshalb wurde die Gasse zu den Predigtzeiten mit in den Boden eingelassenen Pfosten (poteaux) abgesperrt, welche der Gasse ihren Namen gaben.

Druckerei von Pierre de Vingle

An der Ecke rue Saint-Honoré / rue du Bassin befand sich möglicherweise die berühmte Druckerei von Pierre de Vingle. Er druckte Bücher und Flugblätter mit reformatorischem Inhalt, in denen über den Missbrauch der Messe und den unwürdigen Lebenswandel der Priester hergezogen wurde. Viele Flugblätter wurden 1534 nach Frankreich geschmuggelt und bis an die Schlafzimmertüre des Königs von Frankreich aufgehängt. Man glaubte sämtliche Flugblätter verloren, bis Exemplare 1943 in einem Bucheinband der Stadtbibliothek Bern wiederentdeckt wurden.

Pierre de Vingle war 1525 aus Lyon vertrieben worden, weil er das Neue Testament in französischer Sprache gedruckt und vertrieben hatte. Er liess sich darauf in Neuenburg nieder. 1535 druckte er die berühmte Olivétan-Bibel. Die Übersetzung von Pierre-Robert Olivétan gilt als Meisterwerk und diente über Jahrhunderte hinweg als Grundlage für weitere Bibelübersetzungen ins Französische. Sie ist auch die Bibel der Hugenotten und der italienischen Protestanten, der Waldenser.

Faubourg de l’Hôpital 4: Altes Spital / Alte Spitalkapelle

Zum Spital gehörte auch eine Kapelle. Weil der Weg zur Stiftskirche für Alte und schwangere Frauen besonders im Winter beschwerlich war, wurde 1425 angeordnet, dass auch in der Unterstadt, in der Spitalkapelle, eine Messe zu halten sei. Die Stiftsherren befürchteten, dadurch an Einfluss und Einkommen zu verlieren und setzten durch, dass auf eine Glocke zu verzichten sei. In der Kapelle predigte Guillaume Farel, als ihm in Neuenburg die Kanzel der Stiftskirche verweigert wurde. 1779 wurde das Spital von David de Pury neu aufgebaut. Seit 1914 sind hier die Stadtwerke untergebracht.

Hôtel DuPeyrou

Das herrschaftliche Gebäude, umgeben von weitläufigen Gärten, die bis an das Seeufer reichten, wurde 1764 bis 1771 vom Berner Architekten Erasmus Ritter für Pierre-Alexandre DuPeyrou (1729 - 1794) erbaut. DuPeyrou war Besitzer von Plantagen in Übersee und ein enger Freund von Jean-Jacques Rousseau. Er war ein aufgeklärter Freidenker, Deist und Freimaurer. Die Auffassungen der Aufklärung sollten später einen Einfluss auf die Abspaltung der Freikirche (Eglise indépendante de Neuchâtel) im Jahre 1873 haben.

Historie

Erstmals erwähnt wurde Neuenburg, als der Burgunderkönig Rudolf III. 1011 seiner Gattin Irmengard die Residenz Neuenburg samt Leibeigenen, Dienern und all dem Dazugehörigen vermachte. Ab 1185 liess Graf Ulrich II. die Stiftskirche erbauen, die 1276 geweiht wurde, und gründete ein Stiftskapitel, um die geistliche Betreuung de Stadt sicherzustellen. 1529 schickte Bern, dessen Einfluss in Neuenburg stark war, den Franzosen Guillaume Farel, um die Stadt zu reformieren. Der aus Gap stammende eifrige Reformator hatte sich schon in der bernischen Herrschaft Aigle bewährt, die 1528 zum ersten reformierten Gebiet im Welschland geworden war. Farel hatte 1528 der Berner Disputation beigewohnt und die Thesen ins Französische übersetzt.

Trotz seines Empfehlungsschreibens aus Bern liess man Farel in Neuenburg in der Stiftskirche nicht predigen. Er liess sich nicht entmutigen und predigte auf der Strasse oder in Privaträumen. Im November 1530 sprach sich bei einer Abstimmung die Mehrheit der Bürger für die Abschaffung der Messe aus. Erst nahm die Stadt die Reformation an, dann die Landschaft – und zwar gegen den Willen der Landesherren, die noch fast 200 Jahre lang katholisch blieben.

Guillaume Farel war ein unermüdlicher Reisender durch mehrere Länder Europas, um der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen. Er war es auch, der Jean Calvin nach Genf berufen hatte, um die Reformation zu stärken und zu lenken. Seine letzte Reise führte ihn nach Metz, wovon er erschöpft zurückkam. Er starb wenig später am 13. September 1565.

Guillaume Farel

1489 im südostfranzösischen Gap geboren, studierte Guillaume Farel ab 1509 an der Sorbonne in Paris. Dort begegneten ihm erstmals die Lehren von Martin Luther, die ihn schnell in den Bann zogen. 1521 ging er nach Meaux, wurde dort wegen seiner Ansichten aber schon 1523 wieder vertrieben. Er ging nach Strassburg, Zürich, Bern und Basel. Danach reformierte er Mömpelgard (Montbéliard) und wenig später die bernische Herrschaft Aigle. Bern, das 1528 den reformierten Glauben angenommen hatte, sandte den streitbaren und unerschrockenen Reformator nach Neuenburg, wo er Ende 1529 eintraf.

Vorerst erhielt Farel keine Predigterlaubnis, erst auf Druck aus Bern erlaubte man ihm, auf den Strassen zu predigen. Später durfte er die Spitalkapelle nutzen. Seine Predigten gegen die Heiligen- und Bilderverehrung mündeten Ende Oktober 1530 in einen Bildersturm. Wenig später nahmen die Bürger von Neuenburg die Reformation in einer Abstimmung (dem „Mehr“) an. 1532 nahm Farel an der Waldensersynode in Chanforan teil, wo er den Auftrag übernahm, für eine französische Bibelübersetzung zu sorgen. Diese Bibel wurde durch Olivétan übersetzt und in Neuenburg gedruckt.

Wohl gleich auf dem Heimweg kam Farel in Genf vorbei, versammelte die Evangelischen um sich, sprach zu ihnen, aber es gelang dem bischöflichen Rat, ihn aus der Stadt verjagen zu lassen. Doch mit Unterstützung aus Bern kam er ein Jahr später zurück, entging mehreren Anschlägen und erreichte, dass Genf im August 1535 die Reformation annahm, die allerdings noch auf wackligen Beinen stand. Im Juli 1536 traf Jean Calvin auf der Flucht in Genf ein, und Farel überredete ihn zum Bleiben. 1538 kehrte Farel nach Neuenburg zurück, wo er – mit Unterbrechungen durch Missionsreisen – bis zu seinem Tod 1565 lebte.

Christophe Fabri

Fabri war eigentlich Mediziner, Guillaume Farel berief ihn aber ins geistliche Amt nach Neuenburg. Er wurde etwa 1509 in Vienne geboren, ab 1530 predigte er in verschiedenen Städten und Dörfern in der Umgebung von Neuenburg. 1536 – 1546 wirkte er in Thonon, damals unter bernischer Herrschaft, danach kehrte er nach Neuenburg zurück, wo er bis 1562 blieb. Er kehrte in seine Geburtsstadt zurück, wo er eine Zeitlang gefangen gehalten wurde. Nach Farels Tod 1565 wurde er dessen Nachfolger. Er starb 1588 in Neuenburg.